Pflegeheim-Bewertung 2025: Ein Leitfaden von Christie & Co für Betreiber und Investoren
Frankfurt. Pflegeheime – wie auch andere Sozialimmobilien – werden in der DACH-Region vorwiegend auf Basis des nachhaltig erzielbaren Ertrags bewertet. Neben betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie dem EBITDA kommt je nach Standort, Immobilientyp und Investorenprofil auch das Sachwertverfahren oder ein Vergleichswertansatz zum Einsatz. Entscheidend ist jedoch immer, was langfristig am Markt durchsetzbar ist – sowohl operativ als auch strukturell.
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Die zwei Kernelemente jeder Pflegeheim-Bewertung sind:
- Der nachhaltig erzielbare Gewinn (oft EBITDA oder EBITDAR)
- Der anzusetzende Multiplikator bzw. Kapitalisierungszinssatz
Nachhaltiger Gewinn – Was fließt in die Bewertung ein?
Investoren, Betreiber und Kreditgeber achten in der Regel auf die Nachhaltigkeit des laufenden Betriebs. Dabei spielen folgende Aspekte eine zentrale Rolle:
- Belegungsquote: Stabile Auslastung über 90 % gilt meist als positiv.
- Pflegesatzstruktur: Eine wirtschaftlich tragfähige Pflegesatzstruktur ist essenziell – sowohl bei privat zahlenden Bewohnern als auch bei Sozialhilfeempfängern. Entscheidend ist, dass Pflegesätze regelmäßig verhandelt und an aktuelle Kostenentwicklungen angepasst werden. Auch die Investitionskostenbescheide sollten stets aktuell und vollständig vorliegen, um eine stabile Refinanzierungsbasis sicherzustellen.
- Personalkosten & -struktur: Der Anteil an festangestellten Pflegekräften, die Abhängigkeit von Zeitarbeitsfirmen wird kritisch geprüft.
- Managementstruktur: Eine funktionierende Heimleitung ohne starke Abhängigkeit vom Inhaber wirkt sich wertsteigernd aus. Besonders vorteilhaft ist es, wenn Führungskräfte bereits unabhängig von der Eigentümergesellschaft fest angestellt sind – das erleichtert die Übergabe und minimiert personelle Risiken beim Betreiberwechsel.
Rendite & Multiplikator – realistische Werte in der DACH-Region
Bei der Veräußerung einer Pflegeimmobilie ohne Betrieb, jedoch mit langfristigem Mietvertrag, richtet sich die Bewertung nach der Bruttorendite. Aktuelle Spannweiten:
- Deutschland: 5,4 % – 7,9 % (ca. 13- bis 18-fache Jahresmiete)
- Österreich: 6,25 % – 8,3 % (ca. 12- bis 16-fache Jahresmiete)
- Schweiz: 4,5 % – 7,1 % (ca. 14- bis 22-fache Jahresmiete)
Diese Werte sind abhängig von Standort, Immobilienzustand, Betreiberbonität, sowie von Vertragskriterien wie Wertsicherungsklauseln, Instandhaltungsverpflichtungen und Restlaufzeit. Neubauten mit ESG-konformen Standards und indexierten Mietverträgen erzielen in der Regel die niedrigsten Renditen – also die höchsten Verkaufspreise.
Multiplikator bei Betriebsveräußerung
Wird zusätzlich zum Objekt auch der Pflegebetrieb verkauft, erfolgt die Bewertung anhand eines Multiplikators auf das EBITDA. Übliche Bandbreiten:
- Deutschland: 8- bis 12-fach
- Österreich: 7- bis 11-fach
- Schweiz: 9- bis 14-fach
Entscheidend sind dabei unter anderem Belegungsquote, Ertragskraft, Betreiberstruktur (z. B. zentrale Führung vs. Inhaberabhängigkeit), die Größe des Hauses, sowie die Refinanzierungsfähigkeit der Pflegesätze.
Warum wird in der DACH-Region meist mit EBITDA statt EBITDAR bewertet?
In angelsächsischen Märkten ist das EBITDAR (Ergebnis vor Miete/Pacht) Standard bei Pflegeheim-Bewertungen, da Betrieb und Immobilie oft gemeinsam gehalten werden. In der DACH-Region hingegen sind Eigentümer und Betreiber meist getrennt, weshalb sich das EBITDA (inkl. Miete/Pacht) als realistischere Ergebnisgröße durchgesetzt hat.
Gründe für den Fokus auf EBITDA in DACH:
- Trennung von Immobilie und Betrieb: Pacht ist fester Bestandteil des Geschäftsmodells.
- Regulatorische Verankerung: Investitionskosten und Mieten sind oft refinanzierungsrelevant.
- Geringere Standardisierung bei Pachten: Vergleichbare „Marktpachten“ fehlen häufig.
- Käuferstruktur: Investoren kalkulieren primär mit realen Cashflows, also EBITDA.
Preis pro Bett – marktübliche Korridore
Im Gegensatz zur sehr breiten Spanne im britischen Markt (30.000 – 360.000 £ pro Bett), bewegen sich die Preise in der DACH-Region in deutlich engeren Korridoren:
- Deutschland: 70.000 – 180.000 € pro Bett
- Österreich: 80.000 – 160.000 € pro Bett
- Schweiz: teilweise höher, aber stark kantonal unterschiedlich (z. B. 120.000 – 280.000 CHF pro Bett)
Die Bewertung richtet sich stark nach Lage, Zustand, Größe, regulatorischem Umfeld und dem Anteil privat zahlender Bewohner.
Immobilienqualität als Werttreiber
Die bauliche Qualität und Funktionalität der Immobilie sind elementar für die Betriebsfähigkeit – und damit für den Wert. Relevante Faktoren sind:
- Zimmergrößen & Bäder im Zimmer: Eigenbäder gelten zunehmend auch im Bestand als Standardanforderung.
- Barrierefreiheit & technische Ausstattung: Dazu zählen u. a. Schwesternrufsysteme, Brandschutzsysteme, Aufzüge oder Patientenlifter.
- Energieeffizienz & ESG-Faktoren: Durch die EU-Taxonomie sowie Anforderungen an Bankenfinanzierungen (z. B. Offenlegungsverordnung, CRR II) gewinnen Umweltkriterien an Bedeutung.
- Gemeinschaftsflächen & Tagesstruktur: Wichtig für die Zufriedenheit der Bewohner – und zur Bindung von Personal.
- Erweiterbarkeit oder Nachverdichtungspotenzial: Steigert die langfristige Attraktivität und Wertschöpfung.
Standort – Mikro- und Makrolage entscheiden
Pflegeimmobilien profitieren besonders von attraktiven Standorten. Bewertungsrelevant sind:
- Demografische Entwicklung & Sozialstruktur
- Anbindung an ÖPNV und medizinische/soziale Infrastruktur
- Regionale Förderprogramme und Pflegesatzsysteme
- Kommunale Haltung zu Pflegeimmobilien (z. B. Genehmigungspraxis)
Regulatorik & Betriebsführung
Die Bewertung durch Heimaufsicht, Gesundheitsämter oder kantonale Stellen wirkt sich spürbar auf Transaktionen aus. Ein aktueller Prüfbericht mit guter Bewertung oder ein nachvollziehbares internes Qualitätsmanagementsystem (z. B. nach DIN EN ISO 9001 oder KTQ) schaffen Vertrauen – bei Investoren wie Finanzierungspartnern.
Viele Betreiber bereiten sich heute gezielt auf Prüfungen vor, etwa durch interne Qualitätsbeauftragte, externe Audits oder Beratungsunternehmen.
Fazit: Pflegeheim-Bewertung braucht mehr als Zahlen
Die Bewertung von Pflegeheimen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist weit mehr als eine Rechenaufgabe. Neben Ertragskennzahlen wie EBITDA und der Wahl eines passenden Multiplikators sind fundierte Kenntnisse über Standortgegebenheiten, Betreiberprofile sowie immobilienwirtschaftliche Rahmenbedingungen entscheidend. Nur wer die spezifischen Marktmechanismen versteht, kann Pflegeimmobilien realistisch und zielgerichtet positionieren.
Eine strukturierte Marktansprache durch erfahrene Berater – kombiniert mit einer sorgfältigen Analyse des Einzelfalls – ist oft der Schlüssel zu einem erfolgreichen Verkauf.
„Pflegeheime zählen zu den komplexesten Assetklassen im Gesundheitsimmobilienmarkt. Eine fundierte Bewertung muss neben den klassischen Ertragskennzahlen auch qualitative Faktoren wie Personalstruktur, Regulatorik und ESG-Kriterien berücksichtigen – nur so lässt sich der wahre Marktwert realistisch abbilden.“ - André Schäfer, Consultant Healthcare bei Christie & Co.